Container über Bord eines Schiffes, Bedeutung der Havarie-Grosse

containerschiff

Mit der tagelangen spektakulären Blockade des Suezkanals im März 2021 und der anschließenden Beschlagnahmung des Containerschiffs "Ever Given" durch Ägypten ist ein Begriff aus dem Seerecht aufgetaucht: die "Havarie Grosse".

Was bedeutet Havarie-Grosse? 

Gerät ein Schiff mit Ladung in Seenot, muss der Kapitän alles versuchen um es zu retten. Dann liegt die so genannte Havarie-Grosse vor. Definiert wird diese, wenn aufgrund der außergewöhnlichen Umstände bewusst Schäden bzw. Kosten in Kauf genommen werden, um Schiff und Ladung aus einer gemeinsamen Gefahr zu retten. Der Kapitän kann zum Beispiel veranlassen, dass bestimmte Container über Bord geworfen werdenLaderäume bei Feuer geflutet werdendas Schiffs bewusst gestrandet wird.

Außerdem können Umweltbeeinträchtigungen oder Schadensersatzansprüche dritter Personen durch Folgeschäden hinzukommen. Diese Kosten werden proportional zu den Beitragswerten von Schiff, Ladung und Frachtgeld aufgeteilt und müssen von den jeweiligen Interesseinhabern (Beitragspflichtigen) getragen werden.

Voraussetzungen der großen Haverei

Damit die Regelungen der großen Haverei wirksam werden können, müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein: 

  • Eine gegenwärtige oder unmittelbar bevorstehende erhebliche Gefahr bedroht Schiff, Treibstoff und Ladung gemeinsam (z.B. Strandung oder Strandungsgefahr, Brandausbruch)
  • Eine außergewöhnliche Abwendungsmaßnahme erzeugt bewusst in Kauf genommene Schäden, die das Schiff, den Treibstoff und/oder die Ladung treffen (z.B. Seewurf, um das gestrandete Schiff zu leichtern, Fluten einer Luke mit einem brennenden Gefahrengut-Container) oder Kosten (z.B. Kosten für die Bergung)
  • Mit den Maßnahmen muss die finale Rettung aus der Gefahr bezweckt worden sein.

Was ist ein Havariekommissar oder Dispacheur?

Der Havariekommissar oder Dispacheur ist ein amtlich geprüfter Sachverständiger, der für die Abwicklung der Havarie-Grosse zuständig ist. Der Havariekommissar hat die Aufgabe, auf Grund der festgestellten Schadensursache, des Schadensherganges und des Umfanges des Schadens zu ermitteln, welche materiellen Schäden den Beteiligten jeweils entstanden sind, wie und wo diese Schäden versichert sind und wer wofür haftbar gemacht werden kann. Der Beruf vereint dabei Aspekte aus den Berufsfeldern Rechtsanwalt, Sachverständiger und Schlichter. Die einzelnen Aufgaben des Dispacheurs sind sehr vielfältig und können ganze Expertenteams beschäftigen. 

Welche Kosten können auf den einzelnen Beteiligten zukommen?

Wenn die Bedingungen für eine Havarie-Grosse erfüllt sind, haften alle am Seetransport beteiligten Parteien im Verhältnis zu den geretteten Waren. Ein Unternehmen muss also mit Ansprüchen bis zur Höhe des Wertes seiner eigenen Waren rechnen. Selbst wenn seinen Waren nichts passiert ist und diese unbeschadet ankommen.

Was ist noch zu beachten?

Die Reederei macht üblicherweise ihr Pfandrecht an der Ware geltend und darf die Ware dementsprechend so lange einbehalten, bis der Eigentümer seinen Kostenanteil an der Havarie-Grosse gezahlt hat. Üblicherweise werden dafür Barmittel verlangt. Um seine Waren frei zu bekommen, muss der Eigentümer diese hinterlegen. Ein Havarie-Grosse Verfahren dauert nicht selten fünf bis zehn Jahre, selbst wenn sich die Kosten nicht in der Höhe realisieren, sind die finanziellen Mittel bis zur endgültigen Klärung eingefroren. Besser also, wenn der Eigentümer der Ware eine Transportversicherung hat.

Was ersetzt der Transportversicherer?

Der Versicherer ersetzt dem unmittelbar betroffenen Versicherungsnehmer die durch Aufwendungen oder Aufopferungen entstandenen Schäden und Kosten und übernimmt dessen Forderungen gegen die anderen Beitragspflichtigen.Er ersetzt Beiträge, die der Versicherte den Vergütungsberechtigten zu zahlen hat, sofern durch die Havarie-Grosse-Maßnahmen ein versicherter Schaden abgewendet werden sollte, und stellt die geforderten Sicherheiten. Der Transport-versicherer stellt die notwendigen Barmittel zur Verfügung bzw. zeichnet den Average Bond gegen.

Was ist ein Average Bond?

Ein Average Bond – auch Average Guarantee genannt, ist der Havarie-Grosse-Verpflichtungsschein, den die Versicherungsgesellschaft gegenzeichnen kann. Somit verpflichtet sich der Transportversicherer zur späteren Zahlungen der Havarie-Grosse-Kosten. 

Hinweis: viele Teile dieses Artikels stammen aus Erklärungen der Mannheimer Versicherung AG zu diesem Thema. 



© www.transport-makler.de   Mittwoch, 7. Juli 2021 13:17 Schirmer
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